Hinrich Schwenker war einst der erfolgreichste Faust- und Handballer der Republik. Seine Erfolge mit dem ATSV Habenhausen prägten den Ort. In der Serie Dorfgeschichten erinnert sich ein Weggefährte an den Star.

Herr Ritting, Sie sind seit 1948 Teil der Habenhauser Sportwelt. Was war der größte Sportmoment in Habenhausens jüngerer Geschichte?

Jürgen Ritting: Das war die Deutsche Faustball-Meisterschaft des ATSV Habenhausen im Jahr 1956. Ich war damals beim Sieg in Delmenhorst dabei. Nach der regulären Spielzeit stand es Unentschieden, am Ende hat Habenhausen bei strömenden Regen mit 45:44 gewonnen. Fritz-Walter-Wetter ist eben auch Habenhauser Wetter. Zur Feier zogen Team und Fans mit einem Trommel- und Pfeifenchor durch Habenhausen. Der Umzug war den Spielern zwar unangenehm, aber da mussten sie durch.

Schlagmann in der Partie war ein Ausnahmesportler, den jüngere vermutlich nur als Namensgeber der Sporthalle am Brunnsackerweg kennen: Hinrich „Hinni“ Schwenker. Was verbinden Sie mit ihm?

Ich bin mit ihm aufgewachsen. Er und seine beiden Brüder lebten wie ich am Holzdamm. „Hinni“ war für uns alle im Dorf ein Idol, eine überragende Persönlichkeit. Mit seinen Brüdern hat er oft den Kriegerwitwen bei Handwerksarbeiten am Haus geholfen. Die Familie Schwenker hat den Zusammenhalt im Dorf Habenhausen vorgelebt. „Hinni“ und mein Kinderturnwart Hermann „Hermi“ Ahlers haben mich geprägt und motiviert, später selbst beim ATSV Habenhausen aktiv zu werden.

In den 1950er-Jahren war Habenhausen dank Schwenker eine Faust- und Handballhochburg. Wie hat er das geschafft?

Im Prinzip waren alle Spieler Naturtalente, Übungsleiter gab es in den beiden Sportarten nicht. All ihre Kraft und ihr Geschick haben die Sportler durch Gartenarbeit sowie das Gerätturnen und die Leichtathletik erlangt.

Der Garten und andere Sportarten waren also das Geheimnis.

Das kann man so sagen. Schwenker war auch ein begnadeter Turner und lange Kinderturnwart beim ATSV gewesen. Neben seiner Physis waren aber auch seine guten Mitspieler für seinen Werdegang entscheidend.

Ihr Idol gewann neben diversen Landestiteln 1956 die Deutsche Faustball-Meisterschaft und 1959 die Feldhandball-Weltmeisterschaft mit Deutschland. War das Dorf nie zu klein für den Spitzensportler?

Er hatte jedenfalls genug Angebote. Als Bremer Landesmeister trat der ATSV bei den Norddeutschen Meisterschaften oft gegen starke Teams wie THW Kiel oder Polizei Hamburg an, die damals oft den Bundestrainer stellten. Die feinen Pinkel aus Hamburg wollten ihn erst nicht im Nationalteam dabeihaben, weil er „nur“ ein Silberschmied war. Erst mit der THW-Kiel-Legende Heinrich Dahlinger kam er als 18-Jähriger zur Nationalmannschaft. Später als „Hinni“ auf seinem Karrierehöhepunkt war, wollten die Hamburger ihn aber doch zu einem Wechsel an die Elbe überreden. Auch Bayer Leverkusen fragte ihn an. Er lehnte ab, obwohl er dort gutes Geld verdient hätte.

Hat er Ihnen je seine Entscheidung erklärt?

Ja. Ich erkläre es mal so: Der Sport hat uns alle von den Sorgen und Mühen der Nachkriegszeit abgelenkt und das Leben im Dorf geprägt. Das hat uns zusammengeschweißt und an Habenhausen gebunden.

Schwenker war also ein echtes Dorfkind.

Absolut. Aber er ist nicht nur im Ort ein ganz Großer gewesen. Er hielt jahrelang Kontakt zu seinen ehemaligen Mitspielern der gesamtdeutschen Feldhandball-Nationalmannschaft. Als Schwenker 2005 starb, kam nicht nur Werder-Legende Pico Schütz, sondern auch sein Entdecker Dahlinger mit der gesamten Mannschaft des THW Kiel zu der Beerdigung in die Arster Kirche. Das machte „Hinnis“ Bedeutung über den Sport in Habenhausen hinaus deutlich. Dass das ganze Dorf Abschied nahm und sogar die Schulkinder für die Beisetzung freibekamen, rührte Dahlinger zu Tränen.

Von Lennart Bonk geschrieben, und am 07.10.2004 im Weser Kurier veröffentlicht

Foto: W. Fischer