Kleiner Ortsteil ganz groß

Mit dem ATSV Habenhausen hat Bremen seit geraumer Zeit wieder eine Handballmannschaft, welche regelmäßig in der 3. Liga vertreten ist (letztmals in der Saison 2021/2022). Die erfolgreichen letzten Jahre des Vereins konnten zudem die Position an der handballerischen Spitze der Hansestadt festigen und mit vielen jungen Spielern als Teil eines ausgeklügelten Zukunftskonzepts soll dies auch in Zukunft so bleiben.

Es ist der 07. Mai 2019. Im Finale des DHB-Amateurpokals steht es zwischen dem ATSV Habenhausen und dem BTB Aachen 1908 nach Ende der Verlängerung 28:28. Die Entscheidung in diesem nervenaufreibenden Spiel in der Hamburger Barclaycard Arena muss also im Siebenmeterwerfen fallen. Während die Bremer ihre ersten drei Würfe verwerten, scheitern die Aachener bereits zweimal an ATSV-Torwart Daniel Sommerfeld und müssen nun zwingend den vierten Versuch verwandeln. Doch auch dieser trifft nur die Latte, was den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte der Habenhauser besiegelt und die starken Leistungen der letzten Jahre krönt. Ein Produkt großer Anstrengungen und eines neuen Konzepts welches entwickelt wurde, um sich langfristig an der Spitze des Bremer Handballs zu etablieren.

1897 gegründet, gehörte der Verein aus dem Süden Bremens schon länger zu den besten der Hansestadt und brachte in den 1950er und 60er Jahren mit Hinrich Schwenker einen der besten deutschen Handballer der damaligen Zeit hervor. Bevor die Oberliga 1981 von der Regionalliga als dritthöchste deutsche Spielklasse abgelöst wurde konnte sich der ATSV beständig in dieser halten. Doch auch in der neuen Regionalliga konnte sich schnell eingelebt werden. Von 1990 bis 2005 wurden dort zwölf von fünfzehn möglichen Spielzeiten bestritten, ehe nach der Saison 2004/2005 der Rückzug in die Oberliga erfolgte. Grund dafür: Finanzielle Schwierigkeiten. Diese spielten auch fünf Jahre später eine Rolle als zwar die Meisterschaft in der Oberliga Nordsee gewonnen, der Aufstieg in die neu formierte 3. Liga jedoch freiwillig verweigert wurde. Die gestiegenen Kosten in der höheren Spielklasse waren dem Verein ein zu großes Risiko. Doch auch dieser Rückschlag konnte den Willen sich wieder nach oben zu spielen nicht brechen. Es folgten zwei Saisonabschlüsse auf dem dritten Platz, ehe der Aufstieg in der Spielzeit 2012/2013 sowohl sportlich erreicht als auch finanziell gestemmt werden konnte. Womöglich ein Knotenlöser, denn von dort an stellte sich bei den Habenhausern der Erfolg ein.

Es folgten drei weitere Aufstiege in den Jahren 2015, 2017, und 2020 und eben der Gewinn des Amateurpokals 2019. Dieser brachte ihnen außerdem einen Startplatz in der 1. Hauptrunde des DHB-Pokals ein. Ausgetragen in der größten Eventhalle in Bremen, der ÖVB-Arena, wussten die „Habenhauser Jungs“ zumindest in Halbzeit eins gegen den Bundesligisten TSV Hannover-Burgdorf zu überzeugen. In der 3. Liga konnte zwar bisher kein rein sportlicher Klassenerhalt erreicht werden (die Saison 20/21 wurde coronabedingt ohne Absteiger abgebrochen), doch auch nach dem erneuten Abstieg in diesem Jahr ist das gesamte Team weiterhin motiviert, sich schnellstmöglich wieder in die Drittklassigkeit zu spielen und sich auch endlich dort zu halten.

Der Kapitän­

Kapitän Björn Wähmann

Eine der tragenden Rollen dieses Erfolgs ist der Kapitän und Rückraumspieler Björn Wähmann. Seit dem Aufstieg im Jahr 2013 hat er alle Erfolge des Vereins miterlebt sowie auch einen großen Teil zu diesen beigetragen. Zudem enschied sich der 33-jährige, trotz vorhandener Möglichkeiten für einen Wechsel, bisher immer dazu seinem Kindheitsverein bis heute die Treue zu halten und hat somit in seiner Karriere nur für den ATSV gespielt.
Viele seiner Weggefährten haben den Verein zwar inzwischen verlassen oder ihre Karriere beendet, doch auch im Team mit vielen neuen jungen Spielern erfüllt der Kapitän seine Rolle weiterhin tadellos. Ein Trend, welcher sich in den vergangenen Jahren deutlich herauskristallisiert hat und auch ein großer Teil des neuen Konzepts ist.

Der Bremer Weg

Eine der tragenden Rollen dieses Erfolgs ist der Kapitän und Rückraumspieler Björn Wähmann. Seit dem Aufstieg im Jahr 2013 hat er alle Erfolge des Vereins miterlebt sowie auch einen großen Teil zu diesen beigetragen. Zudem enschied sich der 33-jährige, trotz vorhandener Möglichkeiten für einen Wechsel, bisher immer dazu seinem Kindheitsverein bis heute die Treue zu halten und hat somit in seiner Karriere nur für den ATSV gespielt.
Viele seiner Weggefährten haben den Verein zwar inzwischen verlassen oder ihre Karriere beendet, doch auch im Team mit vielen neuen jungen Spielern erfüllt der Kapitän seine Rolle weiterhin tadellos. Ein Trend, welcher sich in den vergangenen Jahren deutlich herauskristallisiert hat und auch ein großer Teil des neuen Konzepts ist.

Ein genauerer Blick auf den aktuellen Kader verrät: Jugendförderung und Lokalität haben beim Südbremer Traditionsverein einen hohen Stellenwert und sind für Kapitän Wähmann sogar Aspekte welche den Verein und dessen Entwicklung ausmachen. Man setzt dabei sowohl auf Spieler aus der eigenen Jugend und solche die aus der Region Bremen stammen. Spieler wie Fynn Schluroff und Leon Grieme wurden beispielsweise beim ATSV ausgebildet, sammelten dann beim HC Bremen (für seine sehr gute Entwicklungsarbeit bekannt) Erfahrung und kehrten dann Anfang 2022 zu ihren Wurzeln zurück. Dieses „Projekt ATSV“, wie es Trainer Matthias Ruckh bezeichnet, hat sich in letzter Zeit deutlich etabliert und auch Spieler angezogen, welche auf dem Papier im Vergleich bessere Angebote vorliegen hatten.

Den Rückraumspielern Bjarne Budelmann und Dennis Summa wird mindestens eine Karriere in der 2. Bundesliga prophezeit und letzterer hatte vor seinem Wechsel nach Bremen bereits dementsprechende Optionen vorliegen. Vom Habenhauser Konzept war er allerdings so überzeugt, dass er diese ausschlug. Zwar spielen beide mittlerweile nicht mehr in Habenhausen, dennoch haben ihre Beispiele gezeigt, dass der Verein durchaus attraktiv für junge und talentierte Spieler ist. Auch in den nächsten Jahren soll dieses Projekt fortgeführt werden und wenn es nach Ruckh geht, darf es den Verein sogar bis in die zweite Liga führen.

Den Sprung vom ATSV nach ganz oben hat vor nicht allzu langer Zeit Miro Schluroff geschafft. Der 22-jährige stammt ebenfalls aus der Habenhauser Jugend, sammelte wie sein jüngerer Bruder Fynn Erfahrung beim HC Bremen und wechselte 2019 dann zur Reserve der Füchse Berlin. Zwei Jahre später ging es anschließend zum Bundesligisten GWD Minden und danach dem VfL Gummersbach, bei welchem er heute in der 1. Liga spielt.

#EtwasImEgVergessen

Mit all diesen frischen und jungen Kräften wurde nach dem diesjährigen Abstieg schnell das Ziel „direkter Widerausfstieg“ formuliert. Wie auch in den vergangenen Spielzeiten nimmt man das entstandene Image der Fahrstuhlmannschaft weiterhin mit Humor, sodass auch diese Saison unter einem bestimmten Motto steht. Nach „Der Fahrstuhl bleibt kaputt“ geht man nun mit dem Slogan „Etwas im EG vergessen“ auf Mission Wideraufstieg.

ATSV-Trainer Matthias Ruckh

Der Weg dorthin dürfte allerdings alles andere als einfach werden. In der Oberliga Nordsee steht man zwar mit nur zwei Punkten Rückstand dicht hinter den Rivalen vom TV Cloppenburg auf dem zweiten Tabellenplatz, die Situation scheint nach der ersten Saisonhälfte jedoch deutlich prekärer. Nach der zweiten Saisonniederlage gegen die SG Achim/Baden muss jetzt einiges getan werden um das Ziel noch zu errreichen. Das zweite Duell mit dem Tabellenführer muss gewonnen und auch das Torverhältnis um einiges verbessert werden. Für Trainer Matthias Ruckh ist der Aufstieg zwar noch nicht verspielt, man stehe jetzt allerdings an der Klippe: „Tore aufholen allein wird nicht reichen, wir müssen auch eine richtige Serie starten, vor allem weil wir uns nicht auf Ausrutscher der Cloppenburger verlassen dürfen beziehungsweise können“, sagte der ATSV-Trainer nach der Niederlage gegen Achim/Baden.

Sollte der fünfte Aufstieg seit 2013 am Ende doch geschafft werden steht für Kapitän Björn Wähmann allerdings fest: „Die Mannschaft hat das Zeug in der 3. Liga zu bestehen und wird dies auch tun, sofern die Saison ohne coronabedingte Regularien gespielt werden kann“. Um die erneute Rückkehr perfekt zu machen bedarf es aber eben noch einiges an Leistung und gegebenenfalls Fehltritte der Konkurrenz.

Geschrieben von von Linus Karzig, veröffentlich am 19.Dezember 2022 im Rahmen eines Uni Projekts.